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Ausdauer ist auch als Funktionär noch immer gefragt

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(von Franz Schöffmann)

Als Funktionär nach wie vor aktiv Sport zu betreiben ist an sich logisch, war es doch letztlich der Sport, der den Einstieg in die Funktionärsebene bildete. Was einem Funktionär jedoch oft fehlt, ist Zeit für regelmäßiges Training. Besonders geeignet scheinen deshalb Sportarten, bei denen man nicht an fixe Trainingszeiten oder bestimmte Trainingsstätten gebunden ist, und durch die ein medizinisch sinnvoller körperlicher Ausgleich zum Alltagsstress gewährleistet ist - also Ausdauersportarten. In diese Richtung führte mich auch mein persönlicher Weg. Über ein einschneidendes Erlebnis soll die folgende Schilderung berichten, die mit dem seinerzeitigen Originalartikel über weite Strecken ident ist.

Eine Reise ins Ich - 9. Wiener Frühlingsmarathon 1992 - Das Rennen mit der Nummer 4636

Zur Vorgeschichte

Als mich ein Nachbar meiner Heimatgemeinde Offenhausen fragte, ob ich ihm vom 24.-26.4.1992 Logis in Wien gewähren würde, da er vorhabe, den Wiener Frühlingsmarathon zu bestreiten, war dies der Anlass, mich mit dem Gedanken zu beschäftigen, heuer ebenfalls daran teilzunehmen und damit eine mit dem leider schon verstorbenen Sportfreund Hannes Redl abgeschlossene Wette  sozusagen posthum einzulösen.

Bedingt durch berufliche Verpflichtungen kam ich in den ersten beiden Monaten jenes Jahres nur sehr selten zum Trainieren. Deshalb ließ ich mir die Option eines Starts so lange als möglich offen, befasste mich aber stets gedanklich mit diesem Thema. Der  März brachte die Wende. Es ging mit dem Trainingspensum aufwärts, und als dann die über den Österreichischen Blindenverband entrierte Aktion einer  möglichst zahlreichen Teilnahme von blinden und schwerst sehbehinderten Sportlerinnen und Sportlern am diesjährigen Frühlingsmarathon, -lauf und Minimarathon in die Realisierungsphase trat, entschied ich mich definitiv für die Teilnahme am Marathon. Dank der Initiative von Norbert Stuchetz  (Fachausschuss Blindensport) gelang es, mit Hilfe der Unterstützung der Tagespresse mit Rudolf Foit einen Begleitläufer für mich zu finden. Zweimaliges gemeinsames Training sollte die Grundlage des Zusammenspiels beim Marathon bilden.

Nun zum Rennen selbst

Am Start

Mental optimal eingestellt ging es an den Start. Nicht einmal die sich ankündigende hohe Außentemperatur konnte mich erschüttern. Die gebotene Möglichkeit der Startaufstellung im ersten Block nützend, kamen wir gut vom Start weg. Nach rund 2km konnten wir bereits ohne Körperkontakt laufen. Bei km 3 holte uns der weiter rückwärts gestartete Vereinskollege Christian Motz mit seinem Begleitläufer ein, und wir wünschten einander viel Erfolg. Aber auch viele andere uns überholende (meinem Begleitläufer bekannte, aber auch unbekannte) Marathonis wünschten uns viel Erfolg. Bei lockerem Plaudern ging es der ersten Labestelle entgegen.

km 5

Sehr locker. Einige Tropfen Regen lassen mich kurz hoffen, dass es doch nicht so heiß werden könnte, wie insgeheim befürchtet. Zwischenzeit: 28:44 min. - der Schnitt stimmt laut unserem Plan. Bei der ersten Labestation  finde ich noch mit einem Becher Elektrolytgetränk das Auslangen

km 12

Es geht bergab in Richtung Zentrum. Die jubelnde Zuschauermenge bei der Kennedy-Brücke in Hietzing bringt mich in Stimmung. Am Verpflegungsstand bei km 10 tanke ich bereits zwei Becher Elektrolytgetränk. Es geht noch sehr locker, ca. bei km 11,5 überholt uns der schnellste blinde Frühlingsläufer mit seinem Begleiter.

Zwischenzeit: 1:08:12 Stunden.

km 16

Zum ersten Mal am heutigen Tag in Richtung Rathaus geht es weiterhin sehr  locker, ich kann mich zwischendurch noch immer unterhalten. Auf dem Weg durch das Rathaus überkommt mich erstmals ein eigenartiges Gefühl. Die Marathonis sind jetzt unter sich, und wir befinden uns jetzt auf einer Strecke, auf der ich noch nie zuvor gelaufen bin. An der Verpflegungsstelle bei km 15 tanke ich wieder reichlich Flüssigkeit und nehme auch ein Stück Banane. Kurz vor km 16 wartet die Frau meines Begleitläufers und versorgt mich mit trockenen Stirnbändern und einem Becher warmen Tee. Zwischenzeit: 1:32:16 Stunden.

km 21

Die Jazz-Kapelle beim Franz-Josephs-Bahnhof "turnt" mich mächtig an und so geht's Richtung Donaukanal. Auf dem Weg zum Schwedenplatz und weiter zur Urania merke ich deutlich, wie heiß es mittlerweile geworden ist. Trotz leichtester Bekleidung ist der Flüssigkeitsverlust enorm. Ich freue mich schon auf die nächste Verpflegungsstelle. Drei Becher Elektrolytgetränk rinnen die Kehle hinunter, ein Becher Wasser kühlt den Kopf, und ein nasser Schwamm geht mit auf die Reise.

Zwischenzeit: 2:01:42 Stunden. Die erste Hälfte wäre also geschafft, die zweite wird sicher nicht  mehr so angenehm werden.

km 25

Den Donaukanal entlang geht es in eine Gegend, die ich als ehemaliger Schüler des Bundes-Blindenerziehungsinstituts recht gut kenne. Doch wir müssen bis zur Stadionbrücke, von wo es wieder in Richtung Blindeninstitut zurückgeht. Der an der Stadionbrücke postierte Feuerwehrwagen verschafft mit einem kühlen Sprühregen den erhitzten Läufern kurze Abkühlung. In der Stadionallee kommen uns viele Läufer schon auf dem Rückweg entgegen, was mich eigentlich etwas entmutigt. Zudem hält bereits eine gewisse Müdigkeit in der Oberschenkelmuskulatur Einzug. Die Labestelle vor km 25 bringt  wiederum etwas Erfrischung, erstmals muss ich jedoch Dehnungsübungen einlegen, um nicht Gefahr zu laufen, einem Krampf zum Opfer zu fallen.

Zwischenzeit: 2:26:16 Stunden. Noch liegt die Zwischenzeit im Fahrplan.

km 34

Beim Messegelände wird es zunehmend härter, die Gegend lädt nicht so recht zum Laufen ein. In der Zwischenzeit bin ich auch schon merklich einsilbig geworden, da ich mich auf den Laufrhythmus konzentrieren muss. Weitere Pausen für Dehnungsübungen sowie zur Verpflegungsaufnahme kosten wiederum wertvolle Zeit, sind aber unbedingt erforderlich. Endlich biegen wir wieder in die Hauptallee ein, wo die Bäume kühlen Schatten spenden. Trotz alldem kommt ab und zu ein Gefühl des Fröstelns auf. Ich versuche, es einfach zu ignorieren. Die Zwischenzeit bei km 34  zeigt die Auswirkungen der Begleitumstände bereits sehr deutlich, sie weist einen Rückstand auf den Fahrplan von rund 3 min. auf. Zwischenzeit: 3:26:47 Stunden.

km 40

Vom Lusthaus zurück in der Hauptallee wieder Richtung Stadionbrücke kommen uns noch immer Läufer entgegen, was mich psychisch neuerlich etwas aufrichtet. Zudem müssen einige bisher vor uns liegende Läufer gehen, die wir dadurch überholen. Auch dies gibt wiederum Kraft und Auftrieb. Ich freue mich schon, wenn wir die Steigung zur Stadionbrücke "erklommen" haben, wo hoffentlich noch die Feuerwehr auf uns wartet. So war es dann auch, die nochmalige Wasserkühlung tut wohl. Das letzte harte Stück - die Erdbergstraße - liegt vor uns. Mein Ziel heißt jetzt, laufend ins Ziel zu kommen. Dass die erhoffte Zeit von 4:10 Stunden nicht mehr erreichbar scheint, spielt keine Rolle mehr. Bevor es ab dem Rochusmarkt bergab geht, brauche ich nochmals eine kurze Pause für ein paar Dehnungsübungen. Beim AEZ wird wieder die Gattin von Rudolf Foit mit einer Labung auf uns warten. In Gedanken bin ich schon viel früher dort. Drei Becher Tee, einige Dehnungsübungen sowie eine kurze Pose für ein Erinnerungsfoto, und schon geht es wieder weiter.

Zwischenzeit: 4:10:09 Stunden.

42,195 km - Ziel

Am Ring angelangt, rückt das heiß ersehnte Ziel in greifbare Nähe. Letzte Reserven werden mobilisiert. Je näher wir dem Rathaus kommen, desto dichter wird die Zuschauermenge, die mich nochmals richtig anspornt. Etwa auf Höhe des Parlaments registriere ich aus einem Lautsprecher die Ansprache des Obmannes des Österreichischen Blindenverbandes im Zielraum, der von Integration der Blindensportler und Dank an die Begleitläufer spricht. Exakt kann ich seinen Worten jedoch nicht folgen, so sehr bin ich mit der Koordination meiner Beinarbeit beschäftigt. Das letzte Stück treibt mich vor allem das Bewusstsein voran, dass im Ziel viele Freunde - hoffentlich noch immer - auf unser Kommen warten. Endlich, endlich biegen wir in die Zielgerade ein. Ein letzter kurzer, mühlevoller  Antritt und mit 4:23:48 Stunden passieren wir die Ziellinie. Geschafft! Geschafft! Dass dies "nur" den 3609. Rang unter 4548 ins Ziel gekommenen Läufern ergibt, hat für mich keine Bedeutung.

Das schmerzvolle Gefühl der enormen Müdigkeit wird ganz langsam durch die Freude, es wirklich geschafft zu haben, verdrängt. Ein besonders herzliches Dankeschön möchte ich an dieser Stelle meinem Begleiter Rudi Foit sagen, der nicht nur durch seine ausgezeichnete Führungsarbeit, sondern auch durch sein hervorragendes psychologisches Einfühlungsvermögen (speziell in den kritischen Phasen des Laufes) einen nicht unwesentlichen Teil zum erfolgreichen Gelingen dieses Vorhabens beigetragen hat.

Was mich am meisten freut: Es gibt in dieser doch recht saturierten Zeit unserer zivilisierten Gesellschaft noch immer "Abenteuer" zu bewältigen, die nicht mit Geld zu erkaufen sind.

Noch am selben Tag - nach ausgiebiger Flüssigkeitssubstitution und erholsamer Rekreation im warmen Wannenbad keimte in mir der Verdacht auf, mich mit dem "Marathon-Virus" angesteckt zu haben und dass dies zwar mein erster, möglicherweise aber nicht mein letzter Marathon gewesen sein könnte. Schon ein halbes Jahr später stand ich erneut am Start, diesmal in Frankfurt am Main, wo ich ebenfalls mit Rudi Foit bei subjektiv idealem Wetter (+4o C, leichter Nieselregen) ein wesentlich leichteres Rennen lief, bei dem eine viel schnellere Zeit herauskam  - 3:53:49 Stunden. Der dritte und bislang letzte Marathon war der Wiener Frühlingsmarathon 1993, bei dem  ich meine persönliche Bestzeit wiederum - eigentlich ungeplant - um einige Minuten verbessern konnte - die Endzeit lautete 3:49:48 Stunden.

Doppelt schmerzlich musste ich in der Folge zur Kenntnis nehmen, dass ich auf Grund von Problemen in den Kniegelenken wohl für immer Abschied vom Marathonlauf nehmen müsse. Als Ersatz verlegte ich meine sportlichen Ambitionen auf das Tandemfahren, wo auch Ausdauer gefragt ist. Mit meinem Neffen Jürgen Kosel als Pilotfahrer  unterwegs,  wuchs die Begeisterung und gipfelte in der Teilnahme am Trimania-Ultratriathlon 1998 in Klagenfurt 1998 in der Wiener Blindenstaffel. Dabei galt es für jeden Staffelteilnehmer einen Teil des Triathlons zu bewältigen. Karl Eder schwamm die 3,8 km im Wörthersee, Jürgen und ich hatten mit dem Tandem den Part des Radfahrens über 180 km übernommen, wozu wir ziemlich genau 6:00 Stunden benötigten, und Hans Ewald Grill deckte den abschließenden Marathonlauf ab. Ein insgesamt sehr schönes Erlebnis, wobei jeder für das Erreichen eines gemeinsamen Ziels sein Bestes gab. Gleichzeitig war es auch eine Demonstration vor einer großen Öffentlichkeit, zu welchen Leistungen auch blinde bzw. sehbehinderte Sportler imstande sind.

Ein Traumziel, das ich noch nicht ganz aufgegeben habe, wäre eine Teilnahme am berühmten Wasa-Lauf in Schweden. Ich befürchte allerdings schon langsam, dass mir die Zeit für die unbedingt notwendige spezifische Vorbereitung fehlen wird und nicht entsprechend vorbereitet werde ich mich nicht in dieses Abenteuer stürzen.

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